Wir alle kennen den Weihnachtsmann und denken dabei zumindest an eine sehr ähnliche Erscheinung: Ein alter, gutherziger Mann mit weißen Haaren und weißem Bart im roten Mantel. Auf wen ist dieses Bild zurückzuführen und wer hat es verbreitet? Ein urbaner Mythos besagt, dass die erste Verbreitung des Weihnachtsmannes in den rot-weißen Farben auf Coca-Cola zurückgeht. Ein Irrtum, der unbedingt zu beseitigen ist.
Vorfahren des Weihnachtsmannes
Aus zahlreichen Erzählungen und Legenden stammen Impulse, die bis heute Einfluss auf unser Weihnachtsmann-Verständnis nehmen. Ich möchte diese vielzähligen Hintergründe zumindest nicht unerwähnt lassen, da sie auf die vielfältige Urheberschaft der heutigen Weihnachtsmann-Gestalt zeugt.
Da wäre zum einen der weithin bekannte Nikolaus von Myra, der bereits im Mittelalter Kindern an seinem Heiligentag, dem 5. oder 6. Dezember Geschenke brachte. Mit Einzug der Reformation und der daraus resultierenden Abkehr von den Heiligen wurde besonders durch das Wirken Martin Luthers ab 1535 die Bescherung auf den 24. Dezember verlegt. Die Zielsetzung hierbei war es besonders Kinder näher mit Jesus Christus in Verbindung zu bringen als mit Heiligen-Figuren. Da das Nikolausfest allerdings bis dahin bereits seit Jahrhunderten Bestand gehabt hatte, wurde der Brauch weitestgehend fortgeführt. Neben anderen Gebieten kam es primär in der protestantischen Pfalz zumindest zu einer Umdichtung des “Nikolaus” in “Pelzmärtel“, wodurch immerhin eine namentliche Abkehr vom Heiligen, wenn gleich nicht von Bräuchen selbst erreicht wurde.
Joulupukki ist der Name einer besonders in Finnland, aber auch in ganz Skandinavien bekannten Figur, welcher mit einer Rute und Nüssen die Menschen auf die Winterzeit vorbereitet. Wichtig ist an der Stelle anzumerken, dass die Rute hier als Symbol der Fruchtbarkeit gilt, also gänzlich kein Unheilsbringer ist. Joulupukki ist in der Hinsicht in gewisser Weise mit dem Sunnwendmann verwandt, einer ebenfalls mythologischen Figur, die besonders im germanischen Raum bekannt war und inzwischen leider immer wieder der undbedingt als falsch zu erkennenden Behauptung zum Opfer wird, eine Erfindung des Nationalsozialismus zu sein. Dabei gehen vermutlich beide Erzählungen auf die Gottheit Odin bzw. Wodan zurück und waren schon vor dem Nationalsozialismus verbreitet. Beide traten zur Zeit der Sonnenwende (Sunnwend) auf.
Väterchen Frost, der sicherlich auch ein bekannter Vertreter der Vorfahren des Weihnachtsmannes darstellt, ist primär in slawischen Ländern bekannt. Dabei ist er mehr als der Weihnachtsmann noch eine Art Personifikation des Winters. Zur Neujahrsnacht beschenkt er die Kinder.
Father Christmas ist eine Gestalt, die aus der englischen Folklore bekannt ist. Eine Darstellung aus dem 17. Jahrhundert weist bereits erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem heutigen Weihnachtsmann auf. Heute wird tatsächlich im Sprachgebrauch “Father Christmas” und “Weihnachtsmann” synonym verwendet.
Über das Aussehen der genannten Figuren ist wenig bekannt. Allesamt waren es alte Männer mit mächtigem weißen Bart. Mitunter wird ihr Gewand als “purpur” beschrieben. Väterchen Frost und Joulupukki treten zumeist in blauen, seltener in goldenen oder grünen Gewändern auf. Der Nikolaus ist in einigen Darstellungen bereits in Rot und Weiß zu sehen, wie es für Heiligen-Figuren nicht unüblich war. Auch gold-weiße Darstellungen sind bekannt. Ein von mir flüchtig durchgeführter Bartlängen-Vergleich ergab zudem, dass der Nikolaus allgemein einen weniger mächtigen Bart als seine Kollegen zu haben scheint.
Der Weyhnachtsmann
Die erste bekannte textliche Erwähnung des Weihnachtsmannes findet sich in einem Leserbrief der Berliner Wochenzeitung “Mannigfaltigkeiten” vom 22. Dezember 1770. Darin schreibt die bestürzte Leserin, welche unter dem Namen “Konstantia” genannt ist, von ihrer Beobachtung über die Verbreitung der Weihnachtsmann-Erzählungen und warnt davor, dass das Kindeswohl durch derartige Geschichten gefährdet werde:
Was kann man sich denn für Vorteile von allen den erdichteten […] Ruprechten und Klaußen versprechen, wodurch man die Kinder an dem fröhlichsten Zeitpunkt für die Christenheit in beständiger Furcht zu erhalten sucht? Und was mögen wohl die Kinder von einem Weyhnachtsmann für seltsame Begriffe sammeln, der ihnen, unter den gräßlichsten Gestalten, als ein Belohner ihres Gehorsams und ihrer Artigkeit, zugleich aber als der schrecklicher Züchter ihrer Unarten vorgemahlt oder wohl gar in öffentlichen Buden, mit einem dicken Schafspelz bekleidet und gleichsam ganz hinter einem fürchterlichen Bart verborgen, zur Schau oder zu einem Schreckbild aufgestellt wird?
Bayerische Staatsbibliothek München: An die Verfasser
. In: Mannigfaltigkeiten
. Nr. 69, 1770.
. Transkription: S. Winkler
Diese erste textliche Erwähnung zeugt bereits von einigen Merkmalen des Weihnachtsmanns, welche auch heute noch geläufig sind: Da sei der weiße Bart zum einen und der schützende Pelz zum anderen. Auch findet bereits eine weitere Eigenschaft Erwähnung, nämlich dass der Weihnachtsmann artige Kinder belohnt und unartige Kinder bestraft. Etwas konkreter wird diese Darstellung nicht wenig später im genannten Schriftstück, in welcher die Verfasserin nicht minder bestürzt von einer Beobachtung erzählt, welche sich in ähnlicher Form sogar heute noch ereignen könnte:
Ich erschrack nicht wenig, als ich einst hörte, daß eine Mutter von mittlerem Stande ihrer kleinen Annette bey einer geringen Unart, sagte:
Bayerische Staatsbibliothek München: An die Verfasser
“Ey, ey Annetchen! wenn du das thust, so wird dich der Knecht Ruprecht gewiß auch mit in seinen Sack stecken!”
Annettchen erschrack über diese Drohung so sehr, daß ihr das Spielzeug aus der Hand fiel. “Nun!” fuhr die Mutter fort, “Wenn du aber recht artig bist, dann soll dir auch der Weyhnachtsmann allerley artige Sachen mitbringen.”
“Ach Mamachen!” sagte Annettchen zitternd, “Ich will gern fromm und artig seyn, lassen Sie nur den bösen Ruprecht nicht ins Haus kommen! Der holt doch nur die bösen Kinder und ich bin ja recht gut und feyn.”
. In: Mannigfaltigkeiten
. Nr. 69, 1770.
. Transkription: S. Winkler
Im Folgenden lässt sich die Verfasserin des Briefes noch sehr ausgiebig über diesen neumodernen Trend der Weihnachtsmann-Erzählung aus und auch darüber, dass sich gestandene Familienväter als Knecht Ruprecht verkleidet vor dem Fenster den Kindern präsentieren. Ein durchaus lesenswertes Stück Prosa, welches ich am liebsten im Ganzen hier zitierte. Dies allerdings würde zwangsläufig vom Thema ablenken. Wichtig ist die Feststellung, dass die Wesenszüge des Weihnachtsmannes bereits im 18. Jahrhundert allgemein bekannt gewesen sind.
Leider ist auch in diesem Zusammenhang keine genauere Beschreibung des Weihnachtsmannes auffindbar als der Bart und der Pelz. Mindestens seit dem frühen 19. Jahrhundert haben sich in den Darstellungen der Weihnachtsmänner und Nikolaus-Adaptionen die auch heute verwendeten Zipfelmützen durchgesetzt.
Bildliche Darstellungen des 19. Jahrhunderts
Im 19. Jahrhundert begann dann ein regelrechter Boom der Weihnachtsmann-Darstellungen. Besonders Thomas Nast, ein deutsch-amerikanischer Künstler, hat das Bild des Weihnachtsmannes mitgeprägt. In einer Zeichnung während des amerikanischen Bürgerkrieges veröffentlichte er in der Weihnachtszeit einen Weihnachtsmann, der Geschenke und Essen an amerikanische Soldaten verteilte. Als er später auf Nachfrage seine Bilder kolorierte, wählte er dabei die Farben rot und weiß.
Es ist bekannt und kein Geheimnis, dass Thomas Nast sich von vorherigen Darstellungen und Erzählungen hat inspirieren lassen. Allerdings haben diese Bilder schnell eine sehr große Bekanntheit erreicht und können deshalb als einflussreiche Faktoren der heutigen Weihnachtsmann-Vorstellung gezählt werden.
Leider gibt es keine farblichen Darstellungen aus dieser Zeit. Aber die Verwendung der Farben Rot und Weiß sind an vielen Stellen bereits in Textquellen belegt. Eine weitere sehr wichtige Weihnachtsmann-Darstellung aus dem 19. Jahrhundert stammt aus der Feder der Spielzeug-Manufaktur Sonneberg. Nebst zahlreichen Postkarten und sonstigen Zeichnungen hat auch eine Plastik ihren Weg um die Welt gefunden.
Dieser Pappmasché Weihnachtsmann konnte mit Süßigkeiten befüllt werden und war als Geschenk für Kinder gedacht. Er stammt vermutlich aus dem Jahr 1880 und wurde in Sonneberg gefertigt. Die Farben rot und weiß sind hier noch erhalten und zeugen davon, dass sie bereits damals eine klassische Darstellungsart gewesen sind.
Weihnachtsmann-Boom im 20. Jahrhundert
Die Stadt Sonneberg war es auch, welche zur Weltausstellung in Paris 1900 einen Weihnachtsschlitten zur Schau gestellt hatte, der weltweit bekannt wurde. Die Weltausstellung schließlich sorgte dafür, dass Sonneberg noch heute vielerorts als Werkstatt des Weihnachtsmanns bekannt ist. Nach 1900 und der Verbreitung von Fotografien des Schlittens auf Postkarten häuften sich dann schließlich Weihnachtsmann-Darstellungen in der Art, wie wir sie heute kennen.
In dieser Zeit wurde der Weihnachtsmann auch vielseitig als Marketing-Figur verwendet. Im Zuge dessen hat sich die Farbwahl rot und weiß konsequent durchgesetzt und bildet also spätestens seit 1900 die Grundlage im kollektiven Gedächtnis der westlichen Welt.
Der Weihnachtsmann als Marken-Figur
Erst etliche Jahre später, nämlich 1923, hat ein amerikanischer Getränke-Hersteller einen Weihnachtsmann als Werbefigur direkt für seine Marke verwendet. Zu diesem Zeitpunkt war der Weihnachtsmann mit rotem Kittel und langem Rauschebart allerdings schon längst bekannt. Ihn als Werbefigur einzusetzen scheint lediglich der nächste konsequente Schritt zu sein. Das Getränk, das der Weihnachtsmann bewirbt, ist White Rock Beverages Ginger Ale.
Es dauerte weitere 8 Jahre, bis schließlich Coca-Cola auf die Idee kam, den Weihnachtsmann als Werbefigur einzusetzen. Wichtig ist dabei festzuhalten:
Coca-Cola hat den Weihnachtsmann nicht erfunden. Coca-Cola hat auch nicht die Farben des Weihnachtsmannes erfunden, noch sein Gemüt oder wesentliche Züge seines Aussehens. Coca-Cola ist auch nicht die erste Firma, die mit dem Weihnachtsmann wirbt, sie ist nicht einmal die erste Softdrink-Firma, die den Weihnachtsmann als zentrale Figur ihrer Marketing-Kampagne verwendet.
Zutreffend ist lediglich, dass Coca-Cola eine sehr reichweitenstarke Firma ist, die ein sehr beliebtes Produkt verkauft. Aber zu behaupten, dass sie dadurch bei der Entwicklung der Erzählung vom “Weyhnachtsmann” eine Form des Beitrags geleistet hätten, wäre eine unmessbare Beleidigung vor dem Hintergrund der langen Geschichte, welche die Entwicklung des Weihnachtsmannes aufzuweisen hat.
Kritik an der Weihnachtsmann-Tradition muss deshalb wohl überlegt sein. Nicht “diese eine Firma” hat an der Säkularisierung und Kommerzialisierung eines christlichen Festes mitgewirkt, sondern die (westliche) Welt wird stark säkularisiert und Konzerne ziehen da mit. Wer weiß, welche Firma sich als Nächstes an die Weihnachtsmann-Darstellung herantraut.